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Dienstag, 1. März 2011

Bitte recht förmlich!

Ab der Sekundarstufe II fangen unsere Lehrer an, merkwürdige Worte zu benutzen - von „Semester“ über „Klausur“ und „Sie“ anstatt „Du“.
Eine kleine Einführung ins Oberstufenvokabular…


Folgendes Szenario: Geschichte, neunte Klasse. Der Lehrer erwähnt die Themen der nächsten Arbeit, alle schreiben mit, einer meldet sich.
Schüler: „Schreiben wir schon zweistündig?“
Lehrer: „Nein, diese Klausur ist einstündig.“
Stille. Und die ehrfürchtige Frage, die im Raum steht: Klausur? OMG!
Nun, am Ende handelte es sich um eine ganz normale „schriftliche Leistungskontrolle“. Nichts dramatisches, der Durchschnitt war auch vollkommen in Ordnung. Aber es war das erste Mal das Wort „Klausur“ gefallen, der Ernst des Lebens schien eingeläutet.
Klausur ist dabei kein Mysterium, sondern lässt sich vom spätlateinischen Wort clausura sowie dem lateinischen Wort claudere ableiten. Das erste bedeutet „Verschluss“, das zweite „schließen“. Das mag merkwürdig klingen, weist aber darauf hin, dass es sich um eine in einem geschlossenen Raum stattfindende Prüfung handelt. Diese Unterscheidung braucht es vor allem an Universitäten, wo Studenten ihre Leistungen auch in Form von Hausarbeiten erbringen.

Was in der Neunten harmlos beginnt, wächst sich in der Sek II aus. Aus dem Halbjahr wird ein Semester.
Der Begriff Semester gehörte ursprünglich auch nur zum Hochschul-Vokabular und ist deshalb in der Schule noch ein wenig deplatziert. Die Bedeutung lässt sich auch in jeder romanischen Sprache erraten. Hier mal ganz klassisch mit Latein erklärt: Das lateinische Wort semestris leitet sich aus sex (=sechs) und mensis (=Monat) ab und heißt somit nicht mehr als „sechsmonatlich“. Spätestens jetzt fällt auf, dass „Semester“ oder „Halbjahr“ keinen großen Unterschied macht.

Und nun: das Siezen.
Zuerst einmal sollten auch Schüler das Siezen würdigen, denn es ist eine Form von Respekt, den die Lehrer uns gegenüber zeigen.
Auch wenn es sich merkwürdig anhört. Auch wenn wir uns manchmal alt vorkommen, wenn Lehrer uns Siezen. Und auch wenn einige Lehrer es selbst für überflüssig halten.
Dass wir uns alt vorkommen, ist wahrscheinlich auch beabsichtigt. Womit wir wieder beim Ernst des Lebens wären, sowie dem Ernst des Abiturs und dem Ernst unserer beruflichen Zukunft. Das Ziel ist einfach, uns diesen Ernst einzuflößen.
Inwiefern das Siezen dazu beiträgt sei einmal dahingestellt, aber schaden kann es nicht.

Fazit: Alles nur Show

Auch die imposantesten Wörter können dem Schulalltag auf Dauer nicht widerstehen und werden normal. Mehr haben sie auch nicht verdient, denn meist verbergen sich dahinter nur lateinische Ableitungen.

Im Grunde besteht der Unterschied zwischen Sek I und Sek II nicht in dem neuen Wortschatz, sondern vor allem in zwei ganz anderen Punkten.
Zum einen die fehlende Klassengemeinschaft, die dem Kurssystem zum Opfer gefallen ist. Im besten Fall entwickelt sich daraus eine Jahrgangsgemeinschaft, in der sich auch jeder wohlfühlt. Hier ist es vom Einzelnen abhängig, ob er oder sie lieber immer die gleichen Mitschüler um sich hat oder Abwechslung bevorzugt; in dem Fall kann das Kurssystem eine wahre Erleichterung sein.
Zum anderen die Verantwortung, die nun bei jeder Punktzahl anfällt. Es zählt ab jetzt alles ins Abitur und das nimmt (den meisten…) Schülern die Leichtigkeit im Umgang mit Zensuren.

Der Rest ist zweitrangig.
Sich einige Angewohntheiten aus den Universitäten abzuschauen ist meist genauso wenig schädlich wie zuträglich, dazu gehört zum Beispiel das Klopfen nach Vorträgen. Wen würde es schon stören, zu klatschen?
Ab und zu schauen sich aber auch die Schüler die Angewohnheiten der Studenten ab; dazu gehört die Einstellung, Unterricht als optional zu betrachten. Das wiederum ist nicht erwünscht – sehr verwirrend.
Ob man aber Arbeiten oder Klausuren schreibt, ob das Jahr zwei Semester oder zwei Halbjahre hat, Schule ist immer noch Schule.

Warum dann die neue Wortwahl?

Hier meine Vermutungen:
Erstens um den Ernst des Lebens gebührend einzuläuten.
Zweitens weil unsere Lehrer manchmal auch ganz gern Professoren wären.
Und drittens - geben wir's doch zu: große Worte klingen auch in Schülerohren so schön wichtig.

Luisa - Salzreporter

4 Kommentare:

  1. Mir fehlt in diesem Artikel der Umgang mit den ganzen Gehabe um die Wahl der Kurse, welches den einen oder anderen Schüler um einiges mehr in Aufregung versetzt hat als das kleine Wort Klausur. Ansonsten ein guter Artikel, nur dem Fazit am Ende kann ich mich nicht anschließen.

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  2. gibts hier auch ein blog wo einem die angst vor arbeiten genommen wird

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  3. Ich stimme Frayer in Bezug auf das Fazit zu. Kann durchaus nachvollziehen, dass "Klausur" und "Semester" schrecklich pompös klingen, das siezen empfand ich aber als sehr angenehm, da es zeigt, dass der Schüler langsam aber sicher dem Lehrer ebenbürtig wird. Und das sehe ich nicht nur so, weil es "so schön wichtig" klingt!
    Das Fazit ist viel zu lapidar. Es beginnt weder der ernst des Lebens (sondern nur die heiße Phase des Abiturs), noch halten sich Lehrer für Professoren. Lehrer wissen, welchen Job sie haben und verhalten sich so, weil es einfach angemessen ist.

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