Salzreporter

Home Schule Salzhausen Kultur AusallerWelt Kontakt

Menue

Donnerstag, 1. September 2011

Fáilte go hÉirinn! – Willkommen in Irland!

Fünf Wochen reiste ich durch Irland und traf Menschen, die etwas verbindet. Sie sprechen die erste Amtssprache Irlands: Irisch

Es regnet. Nichts Ungewöhnliches in Irland. Und doch war ich heute Morgen so optimistisch, meine Regenjacke im Hostel zu lassen. Ich bin in Dublin und suche Foras na Gaeilge, wie schon gestern. Gerade habe ich mir zum dritten Mal den Weg beschreiben lassen. Foras na Gaeilge ist eine der vielen Organisation, die die irische Sprache unterstützt.

Irisch wurde bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts in ganz Irland gesprochen. Heute spricht dort jeder Englisch. Nur in einigen ländlichen Gebieten im Westen – vom Staat als „Gaeltacht“ gekennzeichnet -  überlebte die Sprache. Dort ist sie immer noch Alltagssprache mancher Familien und Gemeinden, wachsen Kinder mit Irisch auf und lernen in der Grundschule Englisch.

In Dublin spricht zwar kaum jemand muttersprachlich Irisch, doch dafür sind hier Organisationen wie Foras ansässig, mit denen ich reden will. Und selbst hier ist das Irische allgegenwärtig, ist die Straßenbeschilderung zweisprachig und steht an vielen Ladentüren „Fáilte“ – „Willkommen“.

Meine Reise durch Irland ist also mehr als Urlaub, sie ist eine Studienreise. Ich will herausfinden, ob und wie der Staat, die verschiedenen Organisationen und die Sprecher selbst es geschafft haben, Irisch bis heute am Leben erhalten. Wer sich fragt, wie man auf die Idee kommt, seine Ferien so zu verbringen - ich war es nicht.

Die Idee hatte zis, eine Stiftung für Studienreisen. Sie bietet Schülern und Auszubildenden zwischen 16 und 20 die Möglichkeit, sich auf ein Reisestipendium zu bewerben. Das wiederum an Bedingungen geknüpft ist.

Mindestens 4 Wochen unterwegs. Allein. 600 Euro. Es wird eng.


The Spire, die riesige Metallnadel
auf Dublins O´Connell Street
Jeder Stipendiat bekommt 600 Euro und muss damit allein mindestens 4 Wochen, gerne auch länger, durch ein Land seiner Wahl reisen und zu einem Thema forschen. Auch Hin- und Rückreise von Deutschland müssen mit dem Stipendium bestritten werden. Reicht es nicht, darf nur während der Reise Geld hinzuverdient werden.
Definitiv eine Herausforderung.

Auf meiner Suche nach Foras gebe ich schließlich frustriert auf und stecke den Stadtplan ein, der durch den Regen mittlerweile nur noch ein labbriger Papierklumpen ist. Um zurück ins Stadtzentrum zu kommen, reicht es der riesigen Metallnadel in der O’Connell Street zu folgen, die von fast überall in Dublin sichtbar ist. Von dort sind es nur ein paar Meter zum Hostel, in dem ich vier Nächte verbringe, eh es weitergeht auf eine Farm im County Meath.

Bereits im März hatte ich begonnen, im Internet zu recherchieren und Mails zu verschicken. Zum einen ging es darum, Ansprechpartner zu finden, die mehr über mein Thema wissen. Zum anderen musste ich eine Möglichkeit finden, auf der Reise zu arbeiten.
Auf Clare Island an der Westküste Irlands
Die letzten Tage vor der Reise druckte ich Bus- und Stadtpläne, schrieb mir Adressen auf und speicherte schon mal diverse Telefonnummern in meinem Handy.

Trotz eingehender Planung vor der Reise musste ich schon in der ersten Woche feststellen, dass vieles anders kommt als geplant – mal schlechter, aber oft genug auch besser.
An meinem ersten Tag in Dublin traf ich Liam, zu dem ich aus Deutschland schon Kontakt aufgenommen hatte. Er wollte sowieso in eine irischsprachige Region im Westen und nahm mich kurzerhand mit. Und so legte ich in den ersten vier Tagen meiner Reise bereits mehrere hundert Kilometer zurück, sah die Westküste und schwamm im Atlantik.


Mit meiner Gastgeberin Carmel
und ihren Enkeln Joe und Rianon
am Trim Castle
Die folgenden vier Wochen wurden nicht weniger spannend. Vom Dubliner Großstadtdschungel ging es auf eine kleine Farm nördlich von Dublin, auf der ich eineinhalb Wochen arbeitete und mit einer unglaublich gastfreundlichen, warmherzigen Familie zusammenlebte.

Ich besuchte das Dorf Rath Cairn, dessen Bewohner in den 1940ern auf eigenen Wunsch aus dem Westen Irlands in ein County im Osten umgesiedelt worden waren. Diese Gemeinde hat es geschafft, das Irische zu erhalten und es ihren Kindern weiterzugeben, obwohl ringsum jeder Englisch spricht. Sie haben den Status einer Gaeltacht, sowie eine Schule, auf der in Irisch unterrichtet wird.

Immer wieder traf ich Menschen, die mir halfen. Einfach so.

In Rath Cairn war es Pádraic, der dort Sprachkurse organisiert.
Später, in einem südlichen Gaeltacht war es Rachel, die mich bei sich schlafen ließ, weil ich nicht wusste wohin. Drei Tage lang lebte ich bei ihrer Familie, in der nur Irisch gesprochen wurde - außer man sprach mit mir. Auf einer Insel im County Mayo waren es Doutsje und Willem aus Holland, in deren riesigem Garten ich arbeitete.
Es waren Hillary, die in Luxemburg EU-Gesetze ins Irische übersetzt und Mike, der die irische Version von Google erstellt. Amanda, die in Dublin lebt und daheim in Westcork einen Großvater hat, der kaum Englisch spricht. Prionnseas, der alle anglisierten Ortsnamen in Irland neu ins Irische übersetzt hat.

Im Wohnzimmer einer Gastfamilie
Auf meiner Reise erlebte ich Dinge, die ich in keinem Reisekatalog hätte buchen können.
Ich war bei traditionellen Musiksessions in Pubs, in denen ich die einzige Fremde war und alle anderen sich kannten. Ich verbrachte eine Nacht im Nieselregen auf einer Wiese vor einer winzigen Festivalbühne, auf der um sechs Uhr morgens der letzte Künstler auftrat. Ich wurde zu einer Familienfeier einer irischen Familie mit fast 100 Mitgliedern eingeladen, zu der auch ein paar Amerikaner erschienen, die ihre Verwandtschaft mit der Familie durch einen DNA-Test hatten belegen lassen.

Momente wie dieser in Dublin, wenn man durchnässt und deprimiert nur noch nach Hause will, bleiben einem nicht erspart. Der Tag, an dem ich Rachel traf, war nervenaufreibend, schließlich wusste ich den ganzen Tag nicht, wo ich nachts unterkommen würde.

Und trotzdem sind es die guten Momente und Erfahrungen, die im Rückblick dominieren. 

Vor einem steinzeitlichen Grab in Meath
auf einem der wenigen Hügel dort
Es ist erstaunlich festzustellen, wie sehr sich ein Land wie Irland – so nah, so europäisch – bei genauerem Hinsehen vom eigenen Land unterscheiden kann. Um andere Kulturen kennen zu lernen, muss man nicht zwangsläufig auf einen anderen Kontinent. Auf welchem deutschen Festival würde das gesamte Publikum nachts im Nieselregen vor einer Bühne ausharren und einem alten, zahnlosen Mann zuhören, der eine Geschichte erzählt? Noch dazu auf Irisch.
So kommt es, dass ich erst auf Reisen Dinge über Deutschland lernte, die mir hier nie klar waren.

Am Ende habe ich zu meiner eigenen Verwunderung geschafft, mit 600 Euro auszukommen. Ich hatte sogar noch Geld übrig, das ich jetzt behalten darf.
Momentan schreibe ich an meinem Studienbericht, der innerhalb von drei Monaten nach der Reise abgegeben werden muss. Zusammen mit dem Reisetagebuch und einer Abrechnung über Ausgaben und Einnahmen während der Reise. Das mag abschreckend klingen, ist aber spannend. Denn im Nachhinein nimmt man vieles anders wahr, als auf der Reise.

Wer jetzt Lust auf eine Studienreise bekommen hat, findet die zis-Stiftung hier: www.zis-reisen.de

Bei der Bewerbung werden keine Zensuren verlangt, sondern ein Motivationsschreiben. Bei der Wahl des Themas zählt nur, ob man sich dafür wirklich interessiert – nicht ob es hochtrabend klingt.

Für mich war das am Ende das Wichtigste: ehrliches Interesse. Solange man sich für sein Thema begeistern kann und sich für die Menschen interessiert, die man trifft, kommt man immer irgendwie weiter. Und am Ende wieder nach Hause, wo schon das Fernweh wartet.

Luisa - Salzreporter

2 Kommentare:

  1. WOW ich beneide dich richtig darum. Das klingt total spannend!

    AntwortenLöschen
  2. sehr cool, irisch ist ne tolle sprache, aber bestimmt total schwer zu lernen
    danke für den spannenden bericht :D lg

    AntwortenLöschen