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Dienstag, 1. März 2011

Spezialistenwoche Kunst 2010

Vom 12. bis 17. Dezember 2010 fand die Spezialistenwoche Kunst statt. 36 Schüler der Klassen 9 bis 13 verbrachten sechs Tage gemeinsam weitab vom Schulalltag.

Erfahrungsbericht einer einmaligen Woche - irgendwo zwischen Klassenfahrt und Selbstfindungstrip und jeder Menge KUNST…

Ein kalter, trüber Dezembermorgen, Sonntag, 09:45 Uhr. Vor dem Gymnasium Salzhausen sammelt sich langsam eine Gruppe frierender Schüler mit Koffern.
Frau Meyer, Frau Petersen und Herr Schneider stoßen als letzte hinzu und schicken die Schüler zum Kistenschleppen. Die Materialien für diese Woche müssen von der Kunstsammlung auf den Parkplatz geschafft werden: große Papierrollen, aktentaschengroße Holzköfferchen, Körber voller Farben, Teller und Pinsel, riesige und winzige Leinwände, Auslegfolie, Flaschen mit Öl und Pinselreiniger…
Währenddessen geht Herr Schneider von einem zum anderen und verabschiedet alle – leider wird er nicht mitkommen können, dafür ist Frau Petersen zum Glück kurzfristig eingesprungen.

Im Bus folgt dann die offizielle Begrüßung durch Frau Meyer und Frau Petersen und die Bekanntgabe des Themas. Das Thema! Auf kaum etwas anderes sind alle so gespannt wie auf das Thema, immerhin wird man damit die gesamte Woche verbringen müssen.

„Antonyme!“, verkündet Frau Meyer.

Aha. Antonyme…?
„Der gebildete Mitteleuropäer sollte wissen, was Antonyme sind“, lautet Frau Meyers Antwort auf Nachfragen.
Frau Petersen zeigt sich gnädig und übersetzt. Antonyme sind Gegensätze.

Dazu folgt auch schon die erste Aufgabe. Jeder erhält ein Stück Papier sowie einen roten Umschlag. Auf eine Hälfte des Papiers zeichnet man eine Seite eines Gegensatzes – dank des schwankenden Busses nicht so einfach, wie es sich anhört.
Die Umschläge mit den Blättern darin werden untereinander getauscht und nun gilt es, den Gegensatz des Tauschpartners zu erraten und die zweite Hälfte dazu zu zeichnen.

Die Busfahrt vergeht schnell. Dank der Aufgabe und der allgemeinen, motivierten Aufbruchsstimmung, die vorherrscht. Manch einer verkürzt die Fahrt auch, indem er fehlenden Sonntagmorgenschlaf nachholt.

Als wir in Rotenburg a. d. Fulda ankommen, sind wir ca. zwei Stunden zu früh da. Die Jugendherberge liegt auf einem Berg, sodass man zwar wunderschön heruntersehen kann, aber möglichst nicht hinuntergehen möchte. Frau Meyer vereinbart schließlich telefonisch, dass wir bereits den Saal betreten und mit Folie auslegen können. Der Saal im Erdgeschoss ist der Arbeitsraum der gesamten Woche und muss deshalb vollständig abgeklebt werden. Nicht ganz einfach, sich bei über 30 Leuten nicht gegenseitig auf der Folie zu stehen. Dann werden die Kisten ausgepackt und der Inhalt wie ein Buffet aufgebaut: Die vollständige und vervielfachte Kunstsammlung zur freien Verfügung.

Um sechs gibt es das heiß ersehnte Abendbrot, eine von vier Mahlzeiten hier. Ja, richtig, vier Mahlzeiten! Halb neun Frühstück, Mittag um zwölf, Kaffee um drei und um sechs Abendbrot. Wir sind also an eine Luxus-Jugendherberge geraten.

Nach dem Abendbrot findet das erste Plenum statt. Alle versammeln sich im Saal, wo ein großer Stuhlkreis gebildet wird. Frau Meyers Eröffnungsworte:

„Die gute Nachricht: die anderen müssen morgen in die Schule und wir nicht. Und jetzt die schlechte Nachricht: ihr kommt hier nicht mehr runter bis Freitag und es wird nur Kunst geben!“

Da es sich ja um die Spezialistenwoche Kunst handelt, nimmt es keiner als Drohung wahr. Noch nicht. Aber es ist ja auch noch das erste Plenum…

Es folgt eine vorweihnachtliche Geschenkrunde: Die Skizzenbücher, Bleistifte und kleinen Leinwände werden verteilt. Die Skizzenbücher sind die persönliche Ideenwerkstatt jedes Teilnehmers, was darin gezeichnet wird ist grundsätzlich seine eigene Sache. Die Leinwände sollen am Ende zu einem großen, gemeinsamen Kunstwerk zusammengesetzt werden. Jedem ist dabei überlassen, wie er oder sie seine Leinwand gestaltet.

In der Mitte des Saals sammeln wir die Zeichnungen aus den Umschlägen. Hier finden sich viele altbekannte Gegensätze wie Freude und Trauer, Stadt und Land. Damit es dabei nicht bleibt, wird das Thema von Frau Meyer verfeinert.

Denn es soll nicht nur um die zwei Pole eines Gegensatzes gehen, sondern um das Dazwischen. Oder anders gesagt: Das wichtigste am Sieb sind die Löcher.

Erste Skizzen
Der Rest des ersten Abends dient dann auch der Ideenfindung. Jeder sucht sich mit seinem Skizzenbuch ein Plätzchen im Saal. Einige beginnen sofort eifrig zu zeichnen, andere zu grübeln.

Der nächste Morgen fängt schon einmal gut an: mit Ausschlafen. Aber der Zeitplan ist nicht zu unterschätzen, eine halbe Stunde nach dem Frühstück wird die Arbeit an den Ideen vom Vortag fortgesetzt.

Am Vormittag findet das nächste Plenum statt. Die bisherigen Arbeiten werden auf dem Boden ausgelegt und begutachtet. Vieles wirkt noch etwas zaghaft, etwas unsicher, anderes eher wie beliebig auf dem Papier platziert. Deshalb folgt jetzt der Aufruf von Frau Meyer zu mehr künstlerischem Denken und Kreativität.

Sinn der Spezialistenwoche soll sein, sich von eingeprägten Gewohnheiten und Symbolen zu lösen und seine eigene Ausdrucksform zu finden.

Neue Formate
Deshalb werden ab sofort alltägliche Symbole verboten: Herzchen, Blumen, Kleeblätter, Züge... Da man sich nicht im Unterricht befindet, ist niemand weiterhin gezwungen DIN-Formate und Acrylfarben zu nutzen. Diese Freiheit gilt es auszukosten und mit Tusche, Feder, Ölfarben, Draht, Transparentpapier, Druck…. also einfach mit allem, was es gibt, zu experimentieren.

Nach diesem richtungweisenden Plenum folgt ein Spaziergang nach Rotenburg. Hauptsächlich um fehlende Materialien zu besorgen, aber auch Notrationen für diejenigen, die mehr als vier Mahlzeiten am Tag brauchen. Während der Hinweg noch Spaß macht, ist der Rückweg alles andere als ein Spaziergang – Grund genug, für den Rest der Woche auf dem Hügel zu bleiben.

Am dritten Tag, dem Dienstag, schöpfen alle immer mehr Selbstbewusstsein. Fast jeder hat mittlerweile seine Idee gefunden und versucht nun, sie umzusetzen. Das erste Plenum nach dem Mittagessen ist ermunternd.

Was heute in der Mitte liegt, unterscheidet sich schon deutlich von den Zeichnungen aus dem Bus. Oder in Frau Meyers Worten: „Jetzt geht es richtig los!“

Als die Lehrerinnen danach vorschlagen, gemeinsam an die frische Luft zu gehen, will niemand mit. Eine neue Herangehensweise hat nun bei vielen Einzug gehalten: Ausprobieren, so lange bis es klappt, statt krampfhaft Perfektion zu fordern.

Also wird weitergemacht. Gemalt, gedruckt, gezeichnet und geschnitten. Skizziert, radiert, probiert und am Ende verworfen, wenn es nicht gefällt. Es ist jedem überlassen, ob er sich mit vielen anderen an einen Tisch setzt oder für sich allein arbeitet. Nur zur den Plenumssitzungen werden alle zusammengerufen und einige Arbeiten besprochen. Sie sind der Gegenpol zu der stillen, in sich gekehrten Arbeit am eigenen Werk.

Plenum
Frau Meyer steht in der Mitte des Kreises und setzt beim Gehen vorsichtig die Füße in die Lücken zwischen den Blättern, die auf den dekorativen braunen Fliesen ausgebreitet sind. Manchmal macht sie auf einzelne Arbeiten aufmerksam, manchmal einer der Schüler. Der Rest stellt Fragen, gibt Hinweise, Ratschläge oder einfach nur Komplimente.

Spätestens am vierten Tag hat man sich an den alltäglichen Künstlerwahnsinn gewöhnt. Dann fällt einem beim Frühstück sogar ein, dass man heute Morgen eigentlich zwei Freistunden gehabt hätte. Bevor man darüber weiter nachdenken kann, geht es wieder an die Kunst und mittlerweile sitzt jeder Handgriff. Jeder weiß, wo er was findet oder es wenigstens zu suchen hat. Es herrscht eine angenehme Atmosphäre, ein wenig Musik, ein paar Unterhaltungen und jede Menge Platz, sich auszubreiten.

Chaos-kreativer Arbeitsplatz


Die Arbeit ist nicht langweiliger, aber konzentrierter geworden.

Konzentrierter und gelöster. Viele arbeiten jetzt mit Transparentpapier, Feder und Tinte und Drucktechniken. Die meisten aber noch auf Papier oder Leinwand, mit Plastiken und Skulpturen halten sich die meisten zurück, genauso wie mit Ölfarben. Langsam wird die Auslegfolie mit immer mehr trocknenden, missglückten oder verworfenen Arbeiten bedeckt.

Frau Meyer dreht immer wieder Runden von Tisch zu Tisch, fragt jeden nach dem Stand seiner Arbeit und gibt Tipps. Tipps, die entweder angenommen oder verworfen werden können, weil es keine Zensuren gibt. Künstlerische Arbeit ohne Zensuren ist ein großer Vorteil der Spezialistenwoche Kunst. Ansonsten überlegt man es sich doch zweimal, ob man den Vorschlag der Person, die das eigene Werk später bewerten soll, wirklich ausschlägt.

Man kommt sich ein wenig vor, wie auf einer einsamen Kunstinsel.

Meditatives künstlerisches Arbeiten in völliger Isolation lautet das Motto, eine regelrechte Erholungskur im Vergleich zum Schulalltag. Hier gibt es einfach überhaupt keine Termine, außer vielleicht das nächste Plenum. Und trotzdem hat man immer etwas zu tun.

Einige haben Laptops oder Handys mit, sodass man über das W-Lan-Netz der Jugendherberge ins Internet kann. Man braucht das Internet nicht nur als letzte Verbindung zur Außenwelt, sondern auch für viele Arbeiten. Einen Jaguar oder ein menschliches Herz ohne Vorlage naturgetreu darzustellen ist alles andere als einfach.

Doch selbst in diesem dahinwabernden Zustand vergeht die Zeit. Am Donnerstag herrscht bereits leise Abschiedsstimmung. Manche arbeiten voll Elan weiter, bemüht, ihr Projekt doch noch abzuschließen. Andere sind aber auch froh, dass es nun wieder in die Zivilisation zurückgeht, wo man auch mal wieder einer so profanen Beschäftigung wie dem Fernsehen nachgehen kann. Im Laufe der Woche hat sich jeder so intensiv mit seiner Arbeit auseinandergesetzt, dass sie sich teilweise wie ein Saugnapf angeheftet zu haben scheint.

In einem Abschlussplenum wird die Woche reflektiert. Außerdem bringt jeder seine kleine Leinwand mit, die von den meisten erst am Donnerstagnachmittag fertig gestellt wurde.

Es wird Kritik geäußert – positive wie negative. Zu viele Plenumssitzungen, kommt es da von manchen Seiten. Oder: falsche Jahreszeit, da uns das Dezemberwetter im Saal festgehalten hat. Um die jetzigen 13er mitzunehmen kam allerdings nur dieser Termin infrage.

Darüber, etwas gelernt zu haben, sind sich alle einig.

Selbst ist das Modell: Darf nicht zu klein sein!
Vor allem jüngere Schüler haben neue handwerkliche Kenntnisse mitgenommen, da im Unterricht der 9. und 10. Klasse mit vielen Materialien nicht gearbeitet wird, die in dieser Woche zur Verfügung standen. Aber jüngere wie ältere Schüler haben durch die Spezialistenwoche vor allem eine seltene Kombination von Umständen erhalten: Zeit, Material und professionelle Unterstützung.

Am Abend kommt dann das unvermeidliche Aufräumen. Nach einer Woche unverblümter Unordnung doch etwas aufwändig.

„Schrubbt mir die Stühle, sonst schrubb’ ich euch!“ (Frau Meyer…)

Doch erst müssen die vielen entstandenen Arbeiten sachgerecht verpackt werden. Die Leinwände mit Acrylfarben kommen in Kartons, Zeichnungen werden in Papier eingerollt, dann muss die Auslegfolie weg. Und natürlich die Farbe von den Stühlen…

Am Ende hat der Saal sein altes Aussehen wieder. Das war die Kunstwoche –, die dank engagierten Lehrern und tatkräftigen Schülern wohl für jeden Teilnehmer ein besonderes Kapitel seiner Schullaufbahn darstellt.

Dass wir den Freitag dann im Bus verbringen, während der Rest der Schule schulfrei hat, war die Sache durchaus wert. Im Grund sind schon alle froh, dass es der Bus bei Glatteis auf unseren Berg und wieder hinunter geschafft hat.

Die entstandenen Arbeiten werden ab November 2011 in der Schule ausgestellt sein. 2012 soll die nächste Spezialistenwoche Kunst stattfinden. Ich kann allen, die sich für Kunst interessieren und nicht dabei waren, nur raten, sich darauf zu freuen.

Luisa - Salzreporter

2 Kommentare:

  1. das würd auch gern mal machen

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  2. Die erste Spezialistenwoche war der Hit. Und auch in dieser Jugendherberge... Meine Güte bin ich alt.^^

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